In einer Pressekonferenz mit dem Europarechts-Experten Walter Obwexer hat die Landeshauptfrau von Niederösterreich, Johanna Mikl-Leitner, Maßnahmen zur Sicherstellung des Ärztenachwuchses in Österreich vorgestellt. Sie betonte die Bedeutung eines qualitativ hochwertigen Gesundheitssystems und erklärte, dass das Land Niederösterreich bereits umfassende Maßnahmen zur Gewinnung von Ärztenachwuchs ergreift.
Aktuell arbeiten 4.295 Ärztinnen und Ärzte in den 77 Kliniken und Pflegezentren in Niederösterreich, insgesamt sind es 28.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. In den letzten zwei Jahren konnten 148 neue Medizinerinnen und Mediziner eingestellt werden, was einen historischen Höchststand darstellt. Allerdings arbeiten viele von ihnen in Teilzeit, sodass keine zusätzlichen Leistungsstunden generiert werden und lediglich Pensionierungen ausgeglichen werden. Mikl-Leitner unterstrich die Bedeutung eines umfassenden Personal-Recruitings und erwähnte die Aktion „NÖ studiert Medizin“, die Maturantinnen und Maturanten bei der Vorbereitung auf den Medizin-Aufnahmetest unterstützt.
Die Landeshauptfrau wies jedoch darauf hin, dass die Entscheidungsgewalt über die Studienplätze bei den Hochschulen liegt. Derzeit stehen 75 Prozent der Studienplätze in der Humanmedizin österreichischen Maturantinnen und Maturanten zur Verfügung, 20 Prozent sind für EU-Bürger reserviert und fünf Prozent für Bürger von Drittstaaten. Alle müssen einen Aufnahmetest absolvieren, wobei in Deutschland ein Numerus Clausus als zusätzliche Hürde gilt. Viele derjenigen, die die Zulassungsbeschränkungen in Deutschland nicht erfüllen, kommen nach Österreich. Derzeit stammen 35 Prozent der Medizinstudierenden an österreichischen Hochschulen aus dem Ausland, wobei die Mehrheit der deutschen Studierenden Österreich wieder verlässt.
Die Landeshauptfrau betonte, dass der Andrang österreichischer Studierender wesentlich höher wäre und dass die Flucht vor dem Numerus Clausus den Ärztemangel verschärft. Sie verwies auf ein Gutachten von Professor Walter Obwexer, das ergab, dass Österreich die Zulassungsbeschränkungen des jeweiligen Heimatlandes auf ausländische Studierende anwenden darf. Dadurch könnten nur diejenigen Deutschen in Österreich studieren, die auch in Deutschland studieren dürften. Mit diesem Gutachten will man dem Bund einen Hebel geben, um Änderungen vorzunehmen und mehr Studienplätze für österreichische Maturantinnen und Maturanten zu schaffen. Dafür ist eine Novelle des Universitätsgesetzes erforderlich, die ab dem Studienjahr 2024/25 in Kraft treten soll.
Darüber hinaus stellte Mikl-Leitner zwei weitere Forderungen an die Österreichische Gesundheitskasse. Erstens sollen Kassenstellen in ländlichen Regionen attraktiver gemacht werden, indem höhere Kassentarife für Kassenärzte in abgelegenen Gebieten gelten. Zweitens sollte die Österreichische Gesundheitskasse die Niederlassung von Ärzten in Bedarfsregionen mit bis zu 100.000 Euro unterstützen. Zusätzlich verwies sie auf das Landarztstipendium des Landes Niederösterreich, das Studierende der Humanmedizin mit monatlich 923 Euro für maximal vier Jahre unterstützt.
Professor Obwexer ergänzte, dass es notwendig sei, die vorhandenen Studienplätze für Humanmedizin in Österreich jenen Personen zur Verfügung zu stellen, die voraussichtlich ihre Tätigkeit in Österreich ausüben werden. Er schlug vor, zur besonderen Universitätsreife zurückzukehren, die speziell für das Studium der Humanmedizin gelten würde. Dadurch könnten zusätzlich jährlich 270 Medizinerinnen und Mediziner ausgebildet werden, die wahrscheinlich in Österreich bleiben. Als weiteren Schritt könnte man bei Bedarf auch ein System der „Tätigkeitsverpflichtung“ einführen, bei dem Absolventen verpflichtet wären, nach Abschluss ihrer Ausbildung innerhalb von zehn Jahren fünf Jahre in Österreich zu arbeiten.
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